75 Jahre Stammarbeitersiedlung Lauf 1938 – 2013
Ein Stück Laufer Stadtgeschchte
Zunehmende Industrialisierung der rasch wachsenden Städte und die damit zusammenhängende Wohnungsnot, sowie die notwendigen Überlegungen zur Verbesserung der Wohnsituation von Arbeiterfamilien führten, ausgehend von England, zur sog. „Gartenstadtbewegung“. Die Kommunen waren bestrebt am Stadtrand. durch Genossenschaften für ihre Mitglieder billigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, zu dem ein Nutzgarten zur Selbstversorgung gehörte. Zu diesen locker zusammengefügten Baugruppen gehörten darüber hinaus Schulen und Handwerksbetriebe, Geschäfte und ein Gemeinschaftshaus um den sozialen Zusammenhalt zu festigen.
Die bekannteste deutsche Gartenstadt entstand in Hellerau bei Dresden. 1908 gründeten Nürnberger Bürger eine „Gartenstadt-Baugenossenschaft“, die bis heute tätig ist.
Auch in Lauf brachte die schubartige Industrialisierung große Probleme und ungeheuere Wohnungsnot mit sich. Arbeiterfamilien waren nur notdürftig in engen Mieträumen untergebracht.
Zunächst versuchte man mit dem Programm eines Siedlerwerks Heimstätten auf dem Kunigundenberg („Stadtrandsiedlung“) zu schaffen, die von Handwerkern in Eigenleistung errichtet wurden. Der Erfolg dieses Programms motivierte den Stadtrat darüber hinaus, eine weitere Siedlung an der südlichen Stadtgrenze links der Pegnitz auszuweisen. Die Stadt kaufte hierfür die Grundstücke des verschuldeten Turnerbundes auf, die zwischen der Bezirksstraße Lauf-Röthenbach und der Bahnlinie Nbg.-Amberg lagen. Der Blick zum Moritzberg und auf die Stadt gab dem neuen Wohngebiet eine besondere Qualität.
1936
In einer Stadtratsitzung am 22. September 1936 entschloss man sich seitens Stadt, Industrie und unter Leitung des „Gauheimstättenamts der NSDAP“, im Stadtteil links der Pegnitz 50 Wohnungen zu errichten, denen in den kommenden Jahren weitere folgen sollten. Man entschied sich für 2 Typen von Wohnhäusern, die 3-4 Zimmer und eine Wohnküche aufweisen konnten.
Siedlungshäuser mit 1000 qm2 Land und Arbeitereigenheime mit ca. 500-600 qm2 Land.
Insgesamt waren 150 Siedlungshäuser vorgesehen. Von denen im ersten Bauabschnitt 50 verwirklicht werden sollten.
Die Gesamtkosten sollten sich auf 300 000 M belaufen. Davon gewährte die Sparkasse eine Hypothek von 150 000 M, von der Industrie erhoffte man sich 90.000 M, bei der Stadt blieb ein Betrag von 30.000 M haften.
Entstehen sollte gleichsam ein „Erbhof“ des Stammarbeiters“, keine großen Mietskasernen.
Man erhoffte sich zu Recht von dieser Maßnahme sozialpolitischen Erfolg, konnte so doch der Lebensstandart der sog. „Stammarbeiter“ ( Facharbeiter, Beamte und Angestellte) Laufer Industriebetriebe langfristig gehoben werden.
Viele Laufer Betriebe schenkten der Stadt erhebliche Beträge zu diesem Wohnungsbauprojekt und sicherten dadurch für ihre Stammarbeiter langfristig qualitätvollen Wohnraum.
1937
Bereits im März 1937 entwarf der Laufer Stadtbaumeister Keilholz ein Siedlungshaus mit einem kleinen separat angebauten Stall für Hühner und Hasen, Gänse und Ziegen, die auch „Siedlerküh“ genannt wurden.
Die gesunde Selbstversorgung der Bewohner war ein wesentlicher Aspekt im Wohnungsprogramm. Mit der Lebensreform-Bewegung war nicht nur die Wichtigkeit heller und lichtdurchfluteter Wohnverhältnisse ins Bewusstsein gerückt, sondern auch das Wissen um gesunde Ernährung und Vitaminversorgung, die frisches Obst und Gemüse gewährleisten konnten. Der Gartenbauverein Lauf half den Siedlern bei der Anpflanzung und der Anlage ihrer Gärten durch Informationsabende, bei denen Verlosungen von Gehölzen und Bäumen stattfanden. Die Siedlergärten sollten gleichermaßen aus Gemüsebeeten wie Obstbäumen bestehen. Welchen Sinn man dem Erholungswert des eigenen Gartens zugestand, zeigen die Vorschläge zur Anlage einer Gartenlaube. Für die Hauseinfassung waren Blumenrabatten vorgesehen. Auch über die Obstsorten und die Baumbeschneidung konnten sich die Siedler beim Gartenbauverein eingehend informieren.
Die Planungen für die Siedlung beinhalteten ebenso ein Ladengeschäft und eine Gaststätte. Zu diesem Zweck erwarb die Stadt zwei Grundstücke von der „Bayerischen Heimstätte“ zurück und vergab sie an den Metzger Georg Perl und an den Kaufmann Wilhelm Fischer, die dort ihre Gaststätte und ihren Laden in anderen Bauformen als denen der Siedlerhäuser errichten durften. Ein kommunikativer Mittelpunkt war geschaffen.
Im Februar 1938 gab das Bauamt den offiziellen Baubeginn bekannt. Der Stadtrat behielt sich vor, die Siedlungsbewerber aus einer Liste von 60 Gesuchstellern auszuwählen. Voraussetzung war ein Eigenkapital von mindestens 1000 Mark, da die bayerischen Staatsmittel durch die forcierte Aufrüstung nicht mehr in diesem Maß zur Verfügung standen. Von den 60 Bewerbern blieben auf diese Weise nur noch 47 übrig.
Vier Laufer Baufirmen und drei Zimmereien bekamen die Aufträge zur Ausführung der 49 geplanten Häuser. Der südwestlich angrenzende Wald konnte durch Einschreiten von Heimatpflege und Naturschutz zunächst bewahrt und von der Stadt Lauf gekauft werden. Erst 1950 wurde das Waldgrundstück für einen weiteren Bebauungsplan frei gegeben.
Die Herstellungskosten pro Haus betrugen 5.941,13 Mark, der Grundstückspreis lag bei 0,47 Mark pro m2. Ein Telefonkabel zur Einrichtung eines öffentlichen Fernsprechapparats wurde verlegt. Viele der neuen Hausbesitzer ließen das Dachgeschoß auf eigene Kosten mit Kammern ausbauen.
1938
Am 4. August 1938 berichtet die Pegnitz-Zeitung über die bevorstehende Fertigstellung der Siedlungshäuser. Alle Häuser waren zu diesem Zeitpunkt im Rohbau vollendet, teilweise wurde schon mit dem Einbau der Küchenherde, der Badezimmerinstallationen und mit dem weiteren Innenausbau begonnen. Als erstes Haus wurde die Kärntner Straße 35 am 10. September 1938 bezogen. Der Einzug erfolgte bei Kerzenlicht, da die Stromleitung noch nicht bezugsfertig in Betrieb genommen werden konnte. Alle übrigen Häuser wurden im Oktober/November 38 bezogen und viele der Einwohner erinnern sich noch an die Wärme der Küchenherde, die in der kalten Jahreszeit als Heizquellen der Häuser dienten.
Anlass der Straßenbenennungen in der Stammarbeitersiedlung war der im Jahr 1938 erfolgte Anschluss Österreichs an Deutschland und die damit zusammenhängende allgemeine Euphorie.
Die große Wohnungsnot führte jedoch dazu, dass der Stadtrat bereits im Winter 1938 neue Pläne zur Erweiterung der Siedlung bekannt gab. 41 Siedlerhäuser und 96 Mietwohnungen sollten neu entstehen. Den Grundstücksbesitzern des angrenzenden Baulands drohte bei Verweigerung die Enteignung. Die Material- und Versorgungsknappheit und der bevorstehende Krieg ließen die Planungen jedoch scheitern.
1953
Erst 1953 als in der Nachkriegszeit mit den Flüchtlingen die Wohnungsnot in Lauf noch eine ganz andere Brisanz bekommen hatte, legte die Kreishandwerkerschaft den Grundstein für die großen Wohnblocks mit insgesamt 110 Wohnungen. Die Innsbrucker Straße erschloss das neue Wohngebiet.
1956
Im Jahr 1956 wurde dann die Baulücke zwischen der Stammarbeitersiedlung und den Kreishandwerkern durch die Errichtung von Reihenhäusern durch die Landeswohnfürsorge Bayern GmbH geschlossen. Die Steyrer Straße wurde geschaffen. Ein letzter Anbau des Wohngebietes erfolgte 1960: ganz im Süden wurde um die Bregenzer Straße als Sackgasse gebaut.
(Text: Dr. Ina Schönwald, Stadtarchiv Lauf)
(Slider-Foto: Rede des damaligen 3. Bürgermeisters der Stadt Lauf Herr Georg Schweikert anlässlich der Jubiläumsfeier am 27. Juli 2013 im VOIN-Stodl in Schönberg. Erster Vorstand Erwin Salomon bedankt sich bei Herrn Georg Schweikert für seine begeisternde Festrede! Foto: Verein)