Aus unserem Ortsteil Letten

Bericht über die "Kolonialschule" am Letten


Der ehemalige Laufer Klaus Hankel, der jetzt in Schwaig wohnt und sich an seine Kindheit während der nationalistischen Zeit erinnert hat, schrieb einen Bericht über die "Kolonialschule" am Letten, veröffentlicht in der "Fundgrube", eine Beilage der Pegnitz-Zeitung. Diese Schule scheint heute fast vollständig unbekannt zu sein.
Deshalb hat unser Vereinsmitglied Wilfried Conrad Schriftsteller und Rezitator aus Lauf die Darstellung den Mitgliedern der Siedlergemeinschaft der Stammarbeitersiedlung neu ins Gedächtnis gerufen, da der Ortsteil Letten mit unserer Siedlung eng verbunden ist. Dieses Schulgebäude wurde in letzter Zeit restauriert und leicht umgebaut. Es ragt an exponierter Stelle über den Ortsteil hinaus und deutet auf eine historische Vergangenheit.

Die "Kolonialschule" am Letten


In Lauf gab es eine Schule, die aber weitestgehend in Vergessenheit geraten ist. Gemeint ist die Kolonialschule auf dem Letten (damals noch nicht bei Lauf).

Wie kam es zu dieser Kolonialschule? Dazu muss erst einmal ziemlich weit ausgeholt werden. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts waren große Teile Afrikas, Indiens und der Südsee, teilweise auch Nordamerikas, von den großen Mächten Großbritannien und Frankreich, aber auch Spanien, Portugal, den Niederlanden und Belgien kolonialisiert worden. Lediglich das Deutsche Reich hat aufgrund ständiger innenpolitischer Querelen den Blick aus dem Fenster versäumt. Während hier Kleinkriege (teils nur auf dem Papier) um innerdeutsche Zollgrenzen und ähnliches zwischen den einzelnen Fürstentümern geführt wurden, hatten andere Staaten draußen die Welt aufgeteilt. Erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts versuchte auch Deutschland von dem großen Kuchen noch ein paar Stückchen abzubekommen.

Deutsche Kaufleute, Missionsanstalten, Forscher und auch Militärs entsandten mehr oder weniger ausgebildetes Personal nach Ostafrika (Tansania), Südwestafrika (Namibia), Kamerun, Togo, Neu-Guinea und in die Südsee (Karolinen-, Marianen-, Marschall-Inseln und Samos), um Land für "Kaiser und Reich" in Besitz zu nehmen. Nach 34 Jahren endete jedoch mit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges die kurze Kolonialgeschichte des Deutschen Reiches. Mit dem Versailler Friedensvertrag von 1920 verlor Deutschland alle Kolonien.

Dieser Verlust traf Deutschland außerordentlich schwer, denn die Kolonien haben sich einerseits als Lieferanten von Rohstoffen und Landesprodukten (Kolonialwaren), andererseits aber auch als Abnehmer für die deutsche Industrie einen nicht unbedeutenden Platz im Wirtschaftsleben unseres Landes geschaffen.

So war es nicht verwunderlich, dass sich schon bald Strömungen bildeten, die vom Völkerbund (unter dessen Mandat Teile der verlorenen Kolonien gestellt wurden) und von den Siegermächten die Herausgabe der Kolonien forderten. Briefmarkenähnliche Aufkleber, die den Briefmarken der verlorenen Gebiete nachempfunden waren, wurden als Verschlussmarken auf die Korrespondenz geklebt, was die Forderung unterstützen sollte.

Die in den Kolonien verbliebenen Deutschen konnten sich nach einer gewissen Internierungszeit wieder frei bewegen und teils auch ihre Farmen beziehungsweise Geschäfte wieder selbst führen. Sie gründeten viele deutsche Vereine, die sich unter anderem dem Deutschen Turnerbund, dem Deutschen Sängerbund, dem Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband und anderen deutschen Dachorganisationen anschlossen.

Aber auch auf deutschem Boden, im "Mutterland" also, bildeten sich viele Kolonialvereine, die 1936 im "Reichskolonialbund" aufgingen. Als Hitler 1933 an die Macht kam, hatte er nicht zuletzt auch deshalb so großen Zulauf, weil er das Versailler Diktat, das ja von allen Deutschen quer durch alle Parteien als Schande empfunden wurde, außer Kraft setzen wollte, was natürlich auch die Rückgabe der Kolonien bedeuten sollte. In diese Zeit fällt der Gedanke, junge Menschen auf den Dienst in den Kolonien (die man ja bald zurückzuerhalten glaubte) vorzubereiten. Spezielle Schulungslager sollten hierzu eingerichtet werden. Dies war auch der Grundgedanke für die Kolonialschule in Lauf.

Dank der Mithilfe von Ewald Glückert vom Stadtarchiv Lauf konnte nun folgendes rekonstruiert werden:
Im April 1937 trat die Arbeitsgemeinschaft zur Schulung für Siedlung und Kolonisation (kurz ARSIKO), vertreten durch den Nürnberger Ratsherrn Richter, an den damaligen Bürgermeister der Stadt Lauf Herzog heran, mit der Bitte um Unterstützung bei der Einrichtung einer Kolonialschule in Lauf. Über diese ersten Kontakte berichteten die Pegnitz-Zeitung und die Fränkische Tageszeitung mit Stolz, dass die geplante Einrichtung als einzige Süddeutschlands nach Lauf kommen sollte.

Diese Pressenotizen sind offensichtlich auch dem Reichskolonialbund zur Kenntnis gelangt, dem die Gründung dieser Schule merkwürdigerweise nicht bekannt war. Einen Brief der Bundesführung dieser Organisation in Berlin vom 14.Juni 1937 an den Bürgermeister von Lauf ist dies zu entnehmen. Bereits am 16.Juni 1937 wurde dieses Schreiben durch Bürgermeister Herzog beantwortet und dabei auf die ARSIKO verwiesen.
Über die Eröffnung des Kolonialumschulungslagers liegt ebenfalls ein ausführlicher Pressebericht der Pegnitz-Zeitung vor. Über das Ausbildungsprogramm in Theorie und Praxis existiert noch das entsprechende Merkblatt. Diesem ist zu entnehmen, was die Ausbildung alles umfasste.

Auszugsweise sind Ackerbau, Waldbewirtschaftung, Viehhaltung, - schlachtung und -verwertung, Obst- und Gemüsebau, Bienenhaltung, aber auch umfangreiche handwerkliche Ausbildung, Hauswirtschaft, Gesundheitskunde, Erste Hilfe und Tierheilkunde zu erwähnen. Ergänzt noch durch theoretische Ausbildung in kaufmännischen Fächern, Sprachen (Englisch und Kisuaheli) und körperliche Ertüchtigung durch viele Sportarten.

Das Merkblatt umfasst ferner die Bedingungen für den Eintritt in die Schule und was mitzubringen ist. Für Männer unter anderem zwei Drillichanzüge im Schnitt des Arbeitsdienstes, für Frauen unter anderem je ein blauweiß und rotweiß kariertes einfaches Waschkleid sowie ein grobes Arbeitskleid, Kopftücher und vieles andere mehr.

Die Kosten betrugen im Monat 60 Reichsmark. Bessergestellte "Volksgenossen" waren gehalten, das Doppelte zu bezahlen, um minderbemittelten Schülern die unentgeltliche Ausbildung zu ermöglichen.

Der Schule angeschlossen war auch ein Café-Restaurant, das den Namen "Haus Nependa-Wee" führte und stets regen Zuspruchs der Laufer Bevölkerung erfreute.
Ich selbst kann mich erinnern, als Kind mehrmals mit meinen Eltern auf den Letten gewandert und dort eingekehrt zu sein.

Im Jahre 1942 oder 1943 ist das ganze Unternehmen stillschweigend eingestellt worden. Auch das Lokal wurde nie mehr eröffnet.

Klaus Hankel,
Schwaig

 Die Historie

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